Wattwandern im Winter: Von Würmern und Wasser

Vor ein paar Tagen hat mich eine Freundin gefragt, ob ich Lust auf Wattwandern zum Sonnenuntergang hätte. Mein erster Gedanke: Wattwandern im Winter? Ok, es ist ja offiziell schon Frühling, aber Luft und Wasser wurden offensichtlich über den Jahreszeitenwechsel noch nicht informiert. Doch dann wurde mir bewusst, dass Ebbe und Sonnenuntergang nicht so häufig gemeinsam auftreten. Meine letzte Wattwanderung war nachmittags. Warum also nicht – Hauptsache, ich darf Gummistiefel anziehen!

Am Südstrand von Sankt Peter Ording waren abends zum Glück nur Gummistiefel-Träger versammelt. Einige waren sehr glänzend und waren eindeutig noch nie mit Watt in Berührung gekommen. meine Befürchtung, die Schutzkleidung gegen abgefrorene Füße könnte im Schlick stecken bleiben, wurde schnell entkräftet. Die Wanderung führte uns nur rund 200 Meter Richtung Nordsee bis zum nächstgelegenen Siel. Aber das ist ausreichend – an eine Schneehose habe ich nämlich nicht gedacht und der Wind ist jetzt gegen Abend doch ziemlich frisch. Macht nichts. In der Menge gekuschelt und los geht’s.

Unser Führer von der Schutzstation Wattermeer heißt Daniel und erzählt uns erst einmal etwas über das Wattenmeer, über seine Einmaligkeit als trockenfallender Meeresgrund und Kinderstube für Schweinswale, Robben und Seehunde. Was ich nicht wusste: Das Wattenmeer ist besonders flach. Deswegen taucht der Meeresboden bei dem sich zurückziehnden Wasser ziemlich schnell und über eine große Strecke aus den Fluten auf. An der schneller steil abfallenden Ostsee kennen wir dieses Naturschauspiel deswegen nicht.

Natürlich lernen wir auch, warum es Ebbe und Flut gibt (Achtung Spoiler: Der Mond ist Schuld!); dass das Wasser nicht wirklich verschwindet, sondern Flutberge bildet; und was eine Nipptide und eine Spingflut ist.Vom Meeresboden sammelt Daniel ein paar leere Schalen auf und stellt und die Herz- und Miesmuschel vor. Wusstet ihr, dass die Herzmuschel so heißt, weil sie – von der Seite betrachtet – die (zugegeben vage) From eines Herzens hat?! Und die Miesmuschel ist gar nicht schlecht oder schlecht drauf. Die hieß früher mal „Moos“ mit Vornamen, weil sie sich an Steinen und Pfählen anheftet und die sich festsetzenden Algen aussahen wie Moosbewuchs.

Dann geht Daniel ein paar Meter vor. Denn, so warnt er uns, das Tier, das er sucht, ist sehr scheu und kann unser Getrampel spüren. Er sticht in den Boden und holt einen dicken schwärzlich-roten Wurm heraus. Gestatten: Wattwurm. (Fast hätte er ihn nicht entdeckt, aber mein Sohn hat scharfe Augen!) Der Wurm hat seine Kackehaufen auf dem Boden hinterlassen – so hat Daniel ihn geordet. Das sind diese spiralförmigen Sandhäufchen, die überall zu sehen sind. Es ist übrigens der sauberste sand, des es gibt. Denn der Wattwurm hat den ganzen Dreck, die Bakterien und Kleinstlebewesen herausgsaugt. Apropo Dreck: Mittlerweile findet sich im Wattenmeer um die vier Prozent Mikroplastik! Den frist auch der Wurm. Der Fisch frist den Wurm und wir den Fisch – nur mal so gesagt…

Wattwurm gefunden

Zu guter Letzt dürfen wir ins eiskalte Wasser des ablaufenden Siels und ordentlich mit den Keschern – na ja, eigentlich sind es Siebe – darin herumrühren. Nach einer Weile kleben Garnelen und sogar winzigste Plattfischbabys am Sieb. Die Flundern nutzen das Siel nämlich als Kinderstube, da sie hier relativ geschützt sind vor Fressfeinden. Sie sind auch kaum zu sehen – einzig ihre schwarzen Augen setzen sich vom sandfarbenen Untergrund ab.

Finde die Flunder

So, und jetzt ist die Hose nass und wir müssen schnell zurück ans Festland. Hinter uns geht die Sonne unter und vor uns geht der Mond auf. Traumhaft!

 

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