Chris wartet schon. Als wir unseren Wagen am Hafen von Newport, Rhode Island, geparkt haben, kommt er uns entgegen. Wir sind am heutigen Tag wohl die einzigen Besucher, die zur kleinen Insel Rose Island und zum gleichnamigen Leuchtturm reisen wollen. Es ist früh im Jahr. April. Da ist eine Übernachtung in einem alten Leuchtturm für viele Gäste wohl zu kühl. Ich frage Chris, den Kapitän der „Starfish, die die einzige Verbindung zwischen der Insel in der Bucht vor Newport und dem Festland darstellt. Er lacht. „Nein. Die Leute kommen auch im tiefsten Winter. Sie mögen die Abgeschiedenheit.“ Aber wir haben Glück, im Moment ist kein anderen auf der Insel.
Im Leuchtturm gibt es neben dem Apartment, das wir gebucht haben, zwei Schlafräume im Untergeschoss. Ich bin froh darüber, dass wir diese nicht gebucht haben. Denn der Leuchtturm ist ein Museum und im Untergeschoss muss mit der Öffnung um 10 Uhr morgens alles aufgeräumt und die Betten tadellos gemacht sein. Ins Apartment im Obergeschoss können Besucher zwar einen Blick werfen, während sie zur Kuppel hoch marschieren, aber er ist für die Zeit unseres Aufenthalts unser Reich. Auch im ehemaligen Raum für das Nebenhorn und den ehemaliger Baracken des Stützpunktes Fort Hamilton könnte man übernachten. Aber hier gibt es kein eigenes Bad, keine Küche, keinen eigenen Essraum.
Als die „Starfish“ an der kleinen Brücke anlandet und wir aussteigen, werden wir gleich von fauchenden Gänsen begrüßt. Von Ende Februar bis Mitte August gehört die Insel den Vögeln. Rose Island ist nämlich auch ein Vogelschutzgebiet, in dem neben Kanadagänsen, Drosseln, Cardinals (der rote Staatsvogel Rhode Islands), Eiderenten, Silber-, Blau- und noch zahlreiche andere Reiherarten brüten. Chris warnt uns, nicht zu nahe an die Nester heranzugehen – Gänsebisse sind unangenehm.
Im Leuchtturm führt Chris uns die Treppe hoch, zeigt uns den Kühlschrank, in dem wir unsere mitgebrachten Nahrungsmittel lagern können, die Toilette, wobei er uns ermahnt, nicht zu viel zu spülen, da das Wasser aus einer Zisterne kommt und nur bei Regen wieder aufgefüllt wird. Sehr ökologisch! Die Kinder erhalten ein Zimmer im hinteren Bereich des Geschosses, gleich neben dem Aufgang zur Laterne. Wir Erwachsenen bekommen ein schönes Doppelbett mit Blick auf die Newport Bridge.
Nachdem wir eingeräumt haben und Chris uns alles gezeigt hat, gehen wir auf Erkundungstour. Draußen vor dem Leuchtturm gibt es einen Grill samt Picknickbänken – für uns zu kalt jetzt im April. Die Baracken des ehemaligen Forts weiter unten beherbergen im Moment nur ein Bett. Erste Bauten der US-Militärbefestigung stammen aus dem Jahr 1780, also zur Zeit des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Im Zweiten Weltkrieg wurde hier Munition gelagert. Die Schienen der Ladewaggons sind noch zu sehen. Ansonsten ist nicht mehr viel von der militärischen Vergangenheit sichtbar.
Mit Hilfe des Enkels des letzten Leuchtturmwärters von Rose Island hat der Rose Island Lighthouse & Fort Hamilton Trust, der das Bed & Breakfast sowie die Ausflugsfahren betreibt, das Innere des Hauses fast originalgetreu hergerichtet. „Er konnte sich noch an viele Dinge erinnern – etwas wo der alte Herd stand, den wir aus dem Müll geretten haben, oder wie das Büro eingerichtet war“, berichtet Chris. So ist hier im unteren Geschoss des Museums die Vergangenheit lebendig. Sogar ein Gammophone finden wir in einer Ecke – samt Platten. Und es funktioniert sogar.
Auch im oberen Geschoss des Hauses gibt es viel zu entdecken. Die zahlreichen Besucher haben ein Andenken dagelassen – selbstgemalte Bilder, gebastelte Fensterornamente und einen ganzen Schaukasten voller Kleinteile. Auch wir schreiben unsere Namen und das Datum auf eine schöne Muschel und legen sie dazu. Die Kinder finden es natürlich am spannendsten, die zahlreichen Stiegen zu erklimmen, durch Falltüren zu steigen und auf der Laterne zu stehen und die Schiffe vorbeifahren zu sehen.
Als sich der Tag dem Abend entgegenneigt, bereite ich Abendessen vor. Töpfe, ein Allerlei an Tellern, Gläsern und Besteck sind vorhanden. Es gibt Bagels und Aufschnitt. Während ich den Tisch decke, schaue ich auf die Bucht von Newport und die Stadt im Abendlicht. Schon nicht schlecht, so ein Arbeitsplatz – könnte ich mich dran gewöhnen. Woran die Kinder sich nicht gewöhnen können, ist das Fehlen eines Fernsehers. Also müssen wir uns die Zeit wohl mit Gesellschaftsspielen vertreiben – davon liegen, ebenso wie Bücher, zum Glück einige in den Regalen.
Dann stecken wir die Kinder in ihren, etwas muffig riechenden und kühlen, Raum. Sie klettern ins Stockbett. Noch ein paar Extra-Decken aus dem Schrank geholt, dann sind die Kinder versorgt. Mein Mann und ich gehen noch mal nach draußen, schauen auf die beleuchtete Brücke, lauschen dem Rufen der Gänse und freuen uns über unseren exklusiven Übernachtungsplatz.
Schon am nächsten Morgen müssen wir wieder abfahren. Leider. Denn wer länger bleibt, so hatte Chris erzählt, muss Aufgaben übernehmen. Die Laterne funktioniert zum Glück automatisch – also keine Gefahr, zu vergessen, den Schalter umzulegen. Aber die Flagge einholen und hissen gehört zu den Aufgaben, ebenso wie das Ordnung halten. Als Chris um 10 Uhr kommt, sind wir traurig. Als Entschädigung fährt Chris mit uns einmal um die Insel herum, an den kleinen Seehundsbänken vorbei, auf denen tatsächlich ein paar Meeressäuger liegen. Dann legen wir wieder im Hafen an. Unser Abenteuer ist zu Ende.
Das „Keeper’s Apartment im Obergeschoss – zum Glück kein Museum“ Das „Keeper’s Apartment im Obergeschoss hat eine Küche, ein eigens Bad, Wohnraum… … zwei Schlafräume (hier der „Masterbedroom“. Im Untergeschoss gibt es auch ein Schlafzimmer – das Museum ist für Besucher zugänglich und muss ab 10 Uhr aufgeräumt sein. Übernachten kann man auch in den ehemaligen Baracken des Fort Hamilton. Im Museum gibt es viel zu entdecken – zum Beispiel ein selbstgemachtes Brettspiel.
Fotos: A. Wimber
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