Paddeln auf der Recknitz

Paddeln auf der Recknitz: Mecklenburg-Vorpommern in aller Stille

Lauschen und genießen – das ist das Credo einer Kanutour der besonderen Art. Wer sportlich unterwegs sein möchte, ist hier fehl am Platz. Denn es gilt, möglichst lautlos über das ruhig dahinfließende Wasser der Recknitz zu gleiten. Vielleicht, so hofft Naturführer Martin Hagemann, lässt sich dann auch der Biber sehen.

An einem Dienstag im August habe ich unseren Ford ausgeräumt, eine Matratze, den Grill und den Sohn eingepackt und wir sind Richtung Mecklenburg-Vorpommern aufgebrochen. Schon lange stand ein Besuch meines Freundes Martin auf meiner Das-muss-ich-unbedingt-noch-mal-machen-Liste. Denn Martin ist Naturführer und paddelt regelmäßig in den Sonnenuntergang auf der Recknitz. Ok, die eigentlich Idee dieser geführten Kanutour ist natürlich nicht der sich rotfärbende Himmel, sondern die Begegnung mit Bibern, Adlern und anderen Bewohnern des Naturschutzgebietes im Urstromtal der Recknitz nahe Marlow. Aber an diesem schönen Augustwochenende dürfen wir uns sicherlich auch auf eine besonders schöne Abendstimmung freuen.

Um seinem Titel – und dem der Kanutour – gerecht zu werden, kramt Martin zunächst eine ganze Menge Dinge auf seinem Rucksack hervor. Vielleicht erkennt ihr ja auf dem Bild, was er da alles zeigt 🙂 Das Hauptaugenmerk legt seine Lehrstunde auf den Biber. Der ist seit rund 20 Jahren wieder in der (renaturierten) Recknitz heimisch. Laut Umweltministerium sind in Mecklenburg-Vorpommern aktuell rund 4.500 Biber in fünf Revieren zuhause – fast doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. (Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein gibt es ca. 30 Biber, in Bayern etwa 40.000.) Hier an der Recknitz scheinen sie sich wohl zu fühlen. Martin kennt mehrere Fressstellen und weiß, wo ihre Burgen liegen. Ob wir die Nager jedoch zu sehen kriegen? Vielleicht. Die Wahrscheinlichkeit ist größer, wenn wir leise paddeln.

Natur- und Landschaftsführer Martin Hagemann hat den Schädel eines ausgewachsenen Bibers in der Hand. Der vor ihm liegende Stock wurde schon von den beeindruckenden Nagezähnen des Tieres entrindet - übrigens die Nahrungsgrundlage der Nager. (Bild: A. Wimber)
Natur- und Landschaftsführer Martin Hagemann hat den Schädel eines ausgewachsenen Bibers in der Hand. Der vor ihm liegende Stock wurde schon von den beeindruckenden Nagezähnen des Tieres entrindet – übrigens die Nahrungsgrundlage der Nager. (Bild: A. Wimber)

Nach der Lehrstunde geht es los. Leif und ich steigen mit Martin in ein Boot, unsere Mit-Paddler füllen drei weitere Kanus. Es ist gefühlte 100.000 Jahre her, dass ich gepaddelt bin – und das Erlebnis war kein schönes! Eher ein Zick-Zack-Fahren zwischen zwei Uferbereichen … Apropos Uferbereiche: Die Recknitz gilt ab Bad Sülze als Grenzfluss zwischen Mecklenburg und Vorpommern. Dem Biber ist das natürlich egal – er lebt auf beiden Seiten.

Auch wenn es nicht so aussieht: Ich habe Spaß! (Foto: A. Wimber)

Wir üben das ruhige Paddeln ohne lautes Platschen, bis wir nach ein paar Metern anhalten. Denn Martin geht es nicht nur um die Sichtung von Tieren an diesem Abend. Er möchte uns auch die hiesige Flora näherbringend. Also formen wir mit unseren vier Kanus ein Päckchen, betrachten eine Seerose und lauschen Martins Geschichte.

Seerose auf der Recknitz
Es war einmal eine schöne Prinzessin, die in einem Schloss am Ufer eines großen Sees lebte. Sie war bekannt für ihre Güte und Schönheit, und viele junge Männer versuchten, ihr Herz zu gewinnen. Doch die Prinzessin hatte sich in einen armen, aber tapferen Ritter verliebt, der keine Besitztümer hatte und als einfacher Krieger diente. Ihr Vater, der König, missbilligte diese Liebe und wollte, dass seine Tochter einen wohlhabenden Prinzen heiratete.

Eines Nachts, während die Prinzessin und der Ritter sich heimlich am Seeufer trafen, wurde ihre Liebe entdeckt. Der König, wütend über den Ungehorsam seiner Tochter, verbannte den Ritter und verbot ihm, jemals wieder in die Nähe des Schlosses zu kommen. Die Prinzessin war am Boden zerstört und verbrachte ihre Tage in Trauer am See.

In ihrer tiefsten Verzweiflung machte sie eines Nachts einen Wunsch an die Wassergeister des Sees. Sie bat darum, dass sie und ihr Geliebter für immer vereint sein könnten, auch wenn es nicht in dieser Welt geschehen könnte. Die Wassergeister, berührt von ihrer Trauer, verwandelten die Prinzessin in eine wunderschöne Seerose, die auf dem stillen Wasser des Sees schwamm. Der Ritter, als er von diesem Schicksal erfuhr, kehrte zurück und war ebenfalls so ergriffen, dass er in den See sprang und ertrank. Die Legende sagt, dass er in einen Schwan verwandelt wurde, der für immer in der Nähe der Seerose schwimmt und sie bewacht.

Langsam gleiten unsere Boote weiter Richtung Osten, der Ostsee entgegen (die Recknitz mündet bei Ribnitz-Dammgarten in die Darßer Boddenlandschaft). Zu hören ist nur das Rauschen des Schliffs. Ab und zu beschwert sich eine Meise, weil wir in ihr Gebiet eingedrungen sind. Ein Specht flattert empört davon. Weit voraus erkennen Martins scharfe und geschulte Augen einen Eisvogel. An den ihm bekannten Fressplätzen der Biber suchen wir mit den Augen nach den Tieren – doch wir sehen nur Späne, abgenagte Äste und Pfade, die sich durch Schilf und Unterholz bahnen. Irgendwo dahinten – einige Meter vom Fluss entfernt – müssen die Burgen sein. Ab und zu lässt Martin anhalten, um ein paar Leckereien aus dem Wasser zu fischen wie Wasserkresse und Minze.

Mahlzeit: Frisch gepflückte Wasserkresse. (Foto: A. Wimber)

Als sich die Sonne immer mehr dem Horizon nähert, drehen wir um und lassen uns treiben. (Ja, das Wasser fließt gen Westen.) Obwohl wir jetzt noch ruhiger über den Fluss gleiten, will sich uns kein Biber zeigen. Macht aber nichts – auch ohne Bibersichtung war ist diese Kanutour wunderbar entschleunigend, stimmungsvoll und sogar ein wenig lehrreich.

Hinkommen:

Von Rostock über die B110, ab Sanitz die L19 bis Dettmannsdorf, dann links abbiegen auf die Marlower Straße (L18) bis zum Wasserwanderplatz. (Adresse fürs Navi: 18334 Semlow, Försterei 3)

Oder hier schauen: https://www.kanuverleih-marlow.info/seite/87534/anfahrt.html

Tourenstart: Jeden Dienstag und Freitag ab Wasserwanderrastplatz Marlow (nach Absprache auch an anderen Tagen möglich)
Beginn: Mai: 18:00 Uhr, ab Mitte Mai: 18:30 Uhr, Juni/Juli: 19:00 Uhr, ab August:18:30 Uhr, ab Mitte August: 18:00 Uhr, ab September: 17:30 Uhr, ab Mitte September: 17:30 Uhr
Preis: 30 € pro Person, 15 € für Kinder von 7 bis 18 Jahre (Mindestteilnehmerzahl 6 Personen, max. 12 Personen)

Hier buchen: https://naturreisen-mv.regiondo.de/kanu-tour-auf-den-spuren-des-bibers-ab-5-pers

Hier gibt’s mehr zum Biber: https://mecklenburg-vorpommern.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/biber/index.html

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