Schön ist das Wetter nicht gerade an diesem Tag Anfang Dezember. Es ist bedeckt und kühl – aber immerhin regnet es nicht. Das ist gut, denn ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, ob Alpakas Angst vor Regenschirmen haben.
Was ich weiß: Sie kommen aus Südamerika und gehören wie die Lamas zu den Neuweltkameliden – das heißt, sie haben im Gegensatz zu den Altweltkameliden wie Dromedaren und Trampeltieren aus Asien und Afrika keinen Höcker und eine geringere Größe. Sie sind also klein, haben große Augen und wuschelig-weiches Fell, das zum Anfassen und Kuscheln einlädt. Aber Halt! Linda – unsere Alpaka-Expertin aus Bösdorf – schickt die schlechte Nachricht gleich voraus: Alpakas mögen nicht angefasst werden. Das liegt daran, dass sie Fluchttiere sind und von ihren Eltern das Kuscheln oder den körperlichen Kontakt nicht lernen. Es bedarf einer langen Ausbildungszeit, um Alpakas überhaupt an menschlichen Kontakt zu gewöhnen, erzählt Linda.
Wir – das sind meine Tochter und meine Freunde mit ihrem Sohn – sitzen in Lindas Scheune und lassen uns erst einmal einweisen in die Nutzung eines Alpakas als Wandergefährten. Sie zeigt uns das Geschirr, das sehr an ein zu klein geratenes Zaumzeug für Pferde erinnert und erklärt, wie wir die Tiere führen müssen. Sie dürfen während der Wanderung nicht essen – also heißt es: Kopf hoch.
Außerdem haben die Tiere, die auch in ihrer Herde auf Distanz gehen, eine klare Rangordnung. Deshalb, sagt Linda, müssen bestimmte Tiere an bestimmten Positionen gehen. Wir gehen also im Gänsemarsch. Je nachdem, welches Tier wir uns ausgesucht haben, müssen wir vorne, hinten und in der Mitte gehen. Dabei geht der „Chef“ – Splash – nicht vorne, sondern so, dass er immer alle im Blick behält.
Nach der Einführung geht es zum Gehege. Eine Tüte mit Leckerli darf nicht fehlen – das ist ja fast wie bei Hunden! Die Tiere beäugen uns eher skeptisch als begeistert an. Sie scheinen keine große Lust zu haben, ihr Gehege zu verlassen. Splash guckt uns an und macht komische Geräusche. Er checkt, ob seine Crew okay ist, erläutert die wahre Chefin.
Linda lockt und wir scheuchen und endlich befinden sich die Alpakas da, wo wir sie haben wollen – in ihrem Verschlag. Zoe darf die Tiere füttern und guckt etwas angeekelt, als einer der Burschen in den Napf spuckt. Meins!, soll das wohl heißen, denn Alpakas spucken, um sich zu verteidigen oder die Rangordnung in der Herde zu klären.
Dann legt Linda den Tieren ihre Geschirre um und sortiert Alpakas und Menschen. Wir haben uns schon vorher auf Lindas Internetseite über unsere Wanderbegleiter informiert. Ich nehme Schoki (der eigentlich Ashoka heißt)- der Name passt zu mir. Als wir aufbrechen, erklärt uns Linda, dass wir es hier mit zwei verschiedenen Rassen zu tun haben: Huacaya und Suri. Fünf der sechs Hengste der Herde sind Huacaya, nur Chakora ist ein Suri. Die Tiere unterscheiden sich in der Wolle: Die Suris sind etwas „zotteliger“ – oder um es professioneller auszudrücken – sie haben lockige, eher gerade Haarsträhnen und wirken daher nicht ganz so wollig und pummelig wie die Huacayas. Na ja, pummelig ist vielleicht auch nicht ganz professionell ausgedrückt … Auf jeden Fall wirken die Suri-Alpakas schlanker.
Wir gehen hintereinander. Ganz gemächlich schlendern wir über Spurplattenwege, bis wir den Plöner See im Hintergrund sehen. Die Gemächlichkeit ist übrigens auch der Grund, warum diese Wanderung besonders gestressten Menschen empfohlen wird. Zum Abschalten und Entspannen. Wer einen Hund hat und sich darüber ärgert, dass der immer überall schnüffelt, sollte es mal mit einem Alpaka versuchen: Die schnuppern zwar irgendwo, aber schnell scheinen die Tiere nicht zu können.
Auf der Hälfte der Strecke machen wir eine Pause – Belohnung für die Alpakas: Das Gras schmeckt hier soooo viel besser als im Gehege! Lustigerweise wissen die Jungs genau, wo sie eine Pause einlegen dürfen. Schon kurz bevor wir die Stelle erreichen, gehen die Köpfe nach untern. Linda ermahnt uns, unsere Wanderbegleiter zu mäßigen.
Dann gibt es auch für uns eine Belohnung. Linda hat Punsch und Lebkuchen dabei. Die Alpakas lassen wir jetzt an der langen Leine. Auch sie dürfen sich den Bauch vollschlagen. Frei laufen dürfen die Huftiere aber nicht – dann würde die Herde sich davon machen, denn – wie wir ja auch wissen – das Gras am Ende der Wiese ist natürlich viel besser als hier vorne. Ein Alpaka darf frei laufen, erklärt Linda, solange der Rest der Herde unter unserer Kontrolle ist. Aber wehe, wir würden allen Tieren die (vermeintliche) Freiheit schenken – dann hätten wir unsere liebe Not, die eigensinnigen Tiere einzufangen. Tatsächlich können sie plötzlich ganz schön schnell werden. Das merken wir, als Bagihra sich spontan losreißt und sich mit einem seiner Herdengenossen auf die Suche nach den saftigsten Grashalmen macht. Ein kurzer Moment der Aufregung – und schon sind die beiden Tiere wieder eingefangen.
Dann geht’s zurück zum Hof. Ich traue mich und bohre meinen Finger vorsichtig in das nasse Oberfell meines Wanderfreundes. Unter der wenig verlockend aussehenden Decke fühlt sich das Fell weich, warm und trocken an. Schnell ziehe ich meinen Finger wieder heraus. Nicht, dass Schoki sich ungebührlich berührt fühlt… Einen vorwurfsvollen Blick aus seinen großen dunklen Augen könnte ich auch nur schwer verknusen.
Zurück im Gehege müssen alle gleich aufs Klo (Alpakas haben Toiletten, erklärt Linda; sie machen nicht überall hin wie andere Wildtiere). Dann werden sie abgehalfterte, bekommen leckeres Futter und dürfen wieder ihrem Hobby nachgehen – dem Grasen. Und wir dürfen endlich das Fell der Alpakas anfassen. Linda reicht uns einen Korb, in dem je zwei Handvoll von Suri- und Huacaya-Wolle liegt. Wundervoll! Wir sind alle traurig, dass wir nicht mit den Tieren kuschen durften – na ja, zugegeben: Heute wären das vermutlich aufgrund des nassen Fells wenig reizvoll gewesen. Linda macht aus dem Fell Wolle, die sie verkauft und selbst verarbeitet. Wir kaufen noch Seife auf Alpaka-Wolle, dann ist unser Alpaka-Wanderung auch schon vorbei.
Fazit: Es war eine lustige Angelegenheit mit den Tieren durch die Gegend zu wandern. Für mich waren die Infos über die Tiere und ihre Haltung am Interessanten. Zum Runterkommen ist das Wandern mit Alpakas wahrscheinlich genau das Richtige. Menschen, die gerne etwas mehr Action mögen, müssen sich hier auf eine gemächlichere Gangart einstellen.
Hier habt ihr die Gelegenheit, das Wandern mit den Anden-Tieren selbst auszuprobieren: