Wenn sich kleinste Meerestiere, Pflanzen und Mikroorganismen an Schiffskörpern ansiedeln, ist das schlecht. Sie mindern nämlich den Strömungswiderstand, machen das Boot langsamer und verursachen so gegebenenfalls sogar mehr Kraftstoffverbrauch. Um den Bewuchs zu verhindern, setzten Bootsbesitzer sogenannte Anti-Fouling-Beschichtungen an. Diese Anstriche giftig. Sie enthalten Biozide und sind so konzipiert, dass sie sich durch den Wasserwiderstand stetig abschleifen.
Beim Umwelt Bundesamt ist nachzulesen: „Als Wirkstoffe in Antifouling-Beschichtungen wurden früher zinnorganische Breitbandbiozide verwendet. Die bekannteste Verbindung aus dieser Gruppe ist das Tributylzinn (TBT). Der Einsatz von zinnorganischen Verbindungen in Antifouling-Beschichtungen ist jedoch seit 2008 international verboten, da diese Substanzen lange in der Umwelt verbleiben, hochgiftig sind und hormonell auf Wasserlebewesen wirken. So dürfen in der EU seit dem 1. Januar 2008 Schiffe, die die Flagge eines EU-Mitgliedstaats führen, unter deren Hoheitsgewalt betrieben werden oder einen Hafen eines Mitgliedstaates anlaufen, keine Antifouling-Beschichtungen mit zinnorganischen Verbindungen aufweisen.“
2013 nahmen sich Forscher das Wasser in Sportboothäfen vor und fanden besorgniserregende Werte: Zink und Kupfer wurden in so gut wie allen Proben nachgewiesen, außerdem organischen Bioaiden in (zu) hoher Konzentration.
Mittlerweile gibt es Idee und Forschungsprojekte zu alternativen Beschichtungen. Eine dieser Ideen wurde am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt. AIRCOAT heißt das EU-Projekt, das von der Europäischen Union gefördert wird und dem mehrere europäische Partner angehören. AIRCOAT (Air Induced friction Reducing ship COATing) zielt darauf ab, eine Folie zu entwickeln, auf der Schiffe wie auf einem Luftfilm durchs Wasser gleiten. Abgeschaut hat sich das Forscherteam des KIT um Projektkoordinator Thomas Schimmel diese Art der Rumpfbeschichtung von der Natur. Sie haben sich gefragt, wie Schwimmfarne es schaffen, zu überleben, wenn sie unter Wasser gedrückt werden. Denn die Salvinia sind Pflanzen, die Luft zum Leben brauchen, aber auf dem Wasser schwimmen. Die Wissenschaftler fanden kleine Härchen, die wie Mini-Schneebesen geformt sind und zum einen wasserabweisend sind, sodass sie die Luft gefangen halten. Die Enden dieser Schneebesen sind wasseranziehend. So wird das Wasser oben sozusagen angeklebt und die Luft kann nicht entweichen. Beim Nachbau haben Wissenschaftler und Partnerunternehmen gummiartige Kunststoffe verwendet, die genau diese Eigenschaften haben. Die selbstklebende Folie erzeugt folglich ebenfalls eine dünne Lufthülle, die den Reibungswiderstand verringert und gleichzeitig als Barriere zwischen Schiffskörper und Wasser dient. So können sich auch keine Kleinstlebewesen an der Oberfläche ansiedeln. Da sich die AIRCOAT-Folie zudem nicht von alleine abreibt, findet ein doppelter Beitrag zur Schadstoffreduzierung im Meerwasser statt. Die Reduzierung von Kraftstoffverbrauch und Kraftstoffausstoß wird auf 20 bis 30 Prozent geschätzt. Auch hat sich herausgestellt, dass Korrosionsschutz mit der Beschichtung unnötig wird. Das Projekt ist im Mai 2018 gestartet und läuft über drei Jahre.
An einer widerstandsvermindernden Rumpfbeschichtung arbeitet auch das Projekt FLIPPER (Flow improvement through compliant hull coating for better ship performance“. Forscher des Fraunhofer IFAM und der Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) haben dabei eine Art Delfinhaut entwickelt, die ebenfalls den Strömungswiderstand verringern soll. Gemeinsam mit zwei weiteren Forschungspartnern und gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) entwickelten die Forscher ein gelartiges elastisches Polymer, das die wellenartigen Schwankungen der Strömung an der Unterseite des Schiffs abschwächt – also die Veränderung von laminarer (gleichbleibender) Strömung zu turbulenter herauszögert. Versuche im Wasserkanal haben gezeigt, dass der Widerstand mit Hilfe der Delfinhaut um bis zu sechs Prozent im Vergleich zu konventionell lackiertem Schiffsbug geringer war. Das Problem an der Sache: Es ist nicht klar, ob die elastische Beschichtung auf alle Schiffstypen gleichsam aufgebracht werden, da der Verwirbelungseffekt von Schiffskörper zu Schiffskörper unterschiedlich ist. Die Elastizität der Schicht müsste für jeden Schiffstyp neu berechnet werden. Die Wissenschaftler sind deswegen noch weit davon entfernt, die Beschichtung in die Realität umzusetzen. Doch dass der Effekt existiert, haben die Wissenschaftler bewiesen und arbeiten jetzt daran, neue Finanzierungsmöglichkeiten für weitere Forschungen zu erschließen.
Mit einer biozidfreien Schiffsfolie durchgestartet ist das Wormser Unternehmen Renolit bereits vor einigen Jahren. Im August letzten Jahres wurde die Folie von der Klassifizierungsgesellschaft DNV GL nach DNVGL-CP-0110 zertifiziert. Damit entspricht sie der IMO AFS Konvention zur Vermeidung des Einsatzes schädlicher Anti-Fouling-Anstriche (International Convention on the Control of Harmful Anti-Fouling-Systems on Ships (2001)). Auch der Treibstoffverbrauch lässt sich mithilfe der Folie senken. Zurzeit läuft ein Test mit einem Lotsenboot des dänischen Unternehmens DanPilot, der zeigen soll, wie viel geringer der Kraftstoff bei Schiffen mit der Beschichtung tatsächlich ist. Ein weiterer Vorteil sei, dass die lösemittelfreie Folie nicht gesondert aufgetragen werden müssen, da im Gegensatz zu den biozidhaltigen, leicht entflammbaren herkömmlichen Anti-Fouling-Beschichtungen keine Brandgefahr von ihnen ausgeht. „Das spart Zeit, erhöht die Arbeitssicherheit erheblich und kann den Werftaufenthalt deutlich verkürzen“, urteilt Charles. Diese und anderen Lösungen zeigen: Maritime Unternehmen sind auf einem guten Weg Richtung Umweltschutz und sauberer Schifffahrt.
Auch an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) wurde in Zusammenarbeit mit der Phi-Stone AG, eine Ausgründung der CAU mit Sitz in Kiel, eine biozidfreie Beschichtung entwickelt. Sie entspringt der Nanotechnologie, ist lösungsmittelfrei und enthält speziell geformte Keramikpartikel sowie Polythiourethan (PTU). Zurzeit befindet sich der Anstrich, mit dem sich Bewuchs einfach mit einem Schwamm entfernen lässt, noch in der Testphase.