Wer künftig einen Strandspaziergang macht und sich über die vor sich hin müffelnden Seegrashaufen ärgert, wird nach einem Gespräch mit Kristian Dittmann garantiert ganz anders darüber denken. Der Inhaber der Strand-Manufakur ist begeisterter Seegras-Sammler und -verwerter. „Vor ein paar Jahren hatte ich eine Eingebung“, erzählt der studierte Meeresbiologe während eines Vortrags im Naturfreundehaus in Kalifornien. Es sei, als hätte ihm jemand mit einem Beamer innen an die Stirn folgende Worte projiziert: Seegras ist Rohstoff.
Er fing an, sich näher mit dem Naturprodukt beschäftigen, das von Bauhöfen für viel Geld auf die Deponier gefahren wird. „Als ich mit den Älteren redete, habe ich erfahren, dass Seegras bis in die 1960er Jahre als Dünger für den Boden sowie teilweise als Dämmmaterial verwendet wurde. Viele erinnerten sich auch noch an seegrasgefüllte Matratzen.“ Das wurde Dittmanns Beruf – oder sollte man Berufung sagen?
Urlauber wollen saubere Strände
Tourismus ist eine relativ neue Erscheinung. Erst vor gut 100 Jahren tauchten die ersten Seebäder auf und Menschen nutzten den Strand zu Erholung. Wo heute sauber-weiße Sandstrände Sonnenanbeter und Sandburgenbauer lockten, war früher Naturstrand. Er diente hauptsächlich als Rohstofflieferant – Brennholz, Bauholz (von gestrandeten Schiffen) und Muscheln wurden hier gesammelt. Bauern trieben ihre Viehherden über den Strand, weil das Jod im Seegras gut gegen Huffäule war. Dass Seegras als Dünger eingesetzt hervorragende Kartoffeln hervorbringt, dringt langsam wieder in das Bewusstsein der Küstenbewohner ein.
Einfach mitnehmen
Das Sammeln ist nicht aufwendig. Dittmann benutzt seine Nase, um frisches von weniger geeignetem Seegras zu unterscheiden. Teure chemische Analysen braucht er nicht. „Die Nase richt alles. Sie sagt dir intuitiv, ob das was taugt oder nicht“, erklärt er. Zudem dürfen Sammler alles Biologische anstandslos mitnehmen – mineralische Fundstücke wie Fossilien oder Steine darf man offiziell nicht einstecken. Der Grund: Küstenschutz. Sand und Steine halten die Küstenstreifen intakt.
Eine Einschränkung nennt Dittmann: An Naturstränden sollte alles liegen bleiben. Denn die Treibsel dienen kleinen Tieren und Organismen als Lebensraum. Zudem sind Seegrasanspülungen wunderbare Wellenbrecher – viel besser als Dünen, meint Dittmann. Wer größere Mengen braucht, sollte sich zudem mit dem örtlichen Bauhof absprechen.
Ernte im 3. Quatal
Erntezeit ist immer im letzten Drittel des Jahres. Dabei sind Winde, die bei Hochwasser seitlich auf eine Küstenlinie treffen, am besten geeignet, Seegras und andere Treibsel anzulanden.
„Treibsel, die sich in den Buhnen ablagern, sind fertiger Kompost“, erklärt Dittmann. Die hier gesammelten, eher feinen Seegras-, Algen- und Holzreste können direkt im Garten in die Erde eingearbeitet werden. Größere Mengen Seegras machen den Boden zudem wunderbar locker und luftig. „Im Herbst kann man Seegras wie Mulch verwenden – es verhindert das Wachstum von Umkraut und im Frühjahr brauche ich es nur noch unterzuheben“, rät der Seegras-Experte weiter.
Dittmann selbst nimmt nur das rein Seegras, das er von sonstigen Treibseln – und Pastikmüll – befreit, in Süßwasser ausspült und trocken lässt. Anschließend dient es als leicht, allergiefrei und feuchtigkeitsbindende Füllung für eine Kissen.
Einen interessanten Film über Dittmanns Arbeit seht ihr bei YouTube: