Es regnet. Heute ist definitiv kein Tag, den wir draußen verbringen wollen. Und der Campingplatz, auf dem wir unseren Urlaub in den Niederlanden verbringen, ist auch nicht für Aktivitäten außerhalb eines schützenden Daches geeignet. Also geht es nach Amsterdam, ins Nemo Science Museum. Die Kinder schreien entsetzt auf! Museum! Lieber verbringen sie den Tag angekettet am Bein eines riesigen, sabbernden Monsters.
Wir machen uns (natürlich) trotzdem auf nach Amsterdam, finden einen relativ günstigen Parkplatz in der Nähe des Museums. 20 Euro für bis zu 24 Stunden – ist okay. Außerdem können wir von hier aus fußläufig die Innenstadt erreichen. So können wir nach dem Museumsbesuch noch mal shoppen – als Ausgleich für die Qual des Museumsbesuchs… Also wirklich! Als würde ich ein Museum aussuchen, dessen Besuch eine Zumutung für die Kinder ist!
Das Museum liegt wie ein mit dem Heck gesunkenes Schiff im östlichen Hafengebiet – genauer im Oosterdok. Schon das sieht ganz schön cool aus, außergewöhnlich. Aber Architektur, das können die Niederländer ja auch. Die Tickets halte ich bereits digital in meinem Handy bereit, sodass wir gar nicht erst lange anstehen müssen. Uns empfängt eine Flut aus Farben und eine breite Treppe, die zu noch mehr Farbexplosionen führt.
„Das ist doch kein Museum“, murmelt mein Sohn. Doch! Aber der Fokus liegt nicht auf dem Schauen, sondern auf dem Machen! Hier kann alles angefasst werden (und wo das nicht möglich ist, ist eben Glas davor). Besser noch: Hier muss alles angefasst werden. Wissenschaft erleben und erlebbar machen, das will das Museum. Dafür wurden mehrere Ausstellungsbereiche geschaffen. Gleich im ersten Bereich – der Phänomena – werden alltägliche Phänomene dargestellt. Meine Tochter balanciert einen Wasserball in einem Luftstrom und schaut zu, wie ein Luftballon in einem geschlossenen System bei mehr oder weniger Sauerstoff an Umfang gewinnt oder verliert. Mein Sohn zieht sich selbst an einem Flaschenzug empor und lässt zwischen seinen Fingern Blitze entstehen. Dass Museen doof sind, ist bereits vergessen. Und wir sind erst in der ersten Ausstellungsebene! Rund ein Duzend mehr folgen noch!
Doch zunächst lockt uns ein Wissenschaftler ins Labor und verspricht uns spektakuläre wissenschaftliche Experimente! Das lassen wir uns nicht entgehen. Die Wissenschafts-Show ist zwar auf Englisch, aber ist selbsterklärend. Und wo sie es nicht ist, übersetze ich für die Kinder. Es wabern Ringe aus Rauch durch den Raum, ergießt sich Trockeneis das Geländer hinter und schleudern Spulen Blitze in den Raum. Toll!
Fenomenta, Technium, Energetica, Humania
Als die Show zu Ende ist, geht es weiter in der Reise durch die Bereiche der Wissenschaft. Nach der „Fenomenta“ folgt das „Technium“. Hier können die Kinder etwa Staudämme bauen. Aber kein echtes fließendes Wasser wird umgeleitet, der Strom wird digital auf die Karte projiziert und passt sich den Hindernissen an, die mein Sohn ihm in den Weg legt. So werden Landstriche überflutet oder laufen Staustufen leer. Meine Tochter puzzelt derweil an einer riesigen Wand, an die man Dreiecke befestigen kann. Mathematik im Leben soll so dargestellt werden. Die „Maschine“ (The Machine“) ist belagert. Große und kleine Besucher steuern die Logistikströme der Welt – inklusive Beschaffung und Welthandel übers Meer. Ziemlich cool auch für meinen Mann, den Logistik-Journalisten. Überhaupt finde ich es faszinierend, wie umspannend die Ausstellung aufgebaut ist. An jede wissenschaftliche Ecke wurde gedacht.
Aber erst müssen wir etwas essen! Das Restaurant mach keinen so großartigen Eindruck, aber der Blick über die Amsterdamer Grachten und das Hafengebiet bis weit in die Stadt hinein ist großartig. Allerdings habe ich mich geirrt. Der Burger – sogar der vegetarische – und die Pommes sind überraschend lecker.
Bevor wir wieder zurück zur restlichen Ausstellungsfläche gehen, besuchen wir das Dach. Es fällt – wie das ganze Museum – nach unten ab. Zum Glück gibt es Treppenstufen, sonst würden wir alle ins Hafenbecken rutschen 🙂 Und auch hier findet sich ein Teil der Ausstellung: die Energetica – von der Natur erschaffene Energie. Die Kinder springen auf dem Dach herum und erkunden sich drehende Rohre oder spielen Sonnenuhr. Ich freue mich lieber über den Ausblick über die Stadt und über die Tasse Kaffee in meiner Hand.
Ein großes Thema ist der Mensch. Wunderbar wie ausführlich sich die Ausstellung damit befasst. Man kann herausfinden, welche Farbe die eigene Iris hat oder wie fit man ist. Sexualität ist ebenso ein Thema wie Diversität. (Wem einige Themenfelder zu peinlich sind, der kann sich hinter undurchsichtige Vorhänge zurückziehen und sich ungesehen etwa mit den Sexualorganen beschäftigen.)
Wir hätten noch länger in diesem Themenbereich verweilen und viele Dinge auch noch ein zweites oder drittes Mal erleben können, aber wir müssen wieder – wir dürfen nur drei Stunden bleiben (wegen Corona-Bedingungen). Also schnell noch die Welt retten! Tatsächlich, machen die Kinder das und springen wie kleine Derwische herum, um die (animieren) Astroiden davon abzuhalten, auf die Erde zu stürzen. Als „Waffe“ reicht dafür eine farbige Platte, die an der oberen Schutzschicht der Erde (der Tropopause) hin und her bewegt werden muss, um Felsbrocken zum Bersten zu bringen oder Sonnenstürme abzuwehren. Schafft es ein Meteorit auf die Erde, hat das verheerende Folgen – es brennt.
Nachdem wir die Rettung der Erde anderen Kindern überlassen haben, werfen wir noch einen Blick auf tatsächliche Meteoriten und ins Universum. Dann müssen wir uns leider auch schon Richtung Ausgang bewegen. „Schade“, sagt der Sohn. „Ich hätte noch länger im Museum bleiben können.“
One Reply to “Nemo Science Museum: Geniales Mitmach-Museum für Groß und Klein”