„Rettet ihr eigentlich jeden Tag jemanden?“, fragt Leif. Dirk Göttsch, Mitglied der Stammbesatzung der BERLIN, lacht: „Neulich waren wir gleich sieben Mal draußen“, erzählt er. Erst mussten die Seenotretter aus Laboe einen Kiter vom Wasser holen, auf dem Rückweg zog das Tochterschiff STEPPKE dann ein Motorboot von der Sandbank vor Stein, während der Seenotrettungskreuzer schon mal nach Möltenort fuhr, um einen Segler von der Mole zu bergen. „Es gibt aber auch Tage, da haben wir keinen einzigen Einsatz“, berichtet der Seenotretter, während wir auf der BERLIN sitzen und dem Treiben auf der Kieler Förde zusehen.
Wir haben an diesem sonnigen Tag im Herbst in Laboe das Informationszentrum der DGzRS (Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) besucht. Seit unserem Kurz-Urlaub mit dem Wohnmobil in Mecklenburg-Vorpommern und unserem Besuch im Informationszentrum in Warnemünde, ist mein Sohn total begeistert von den Seenotrettern. Abends liest er immer in den Jahrbüchern, die die DGzRS herausgibt und die wir in Warnemünde in die Hand gedrückt bekommen haben.
Leider war hier die Schiffsimulator kaputt, mit dem Kinder ab 12 (und Erwachsene natürlich auch) Schiffbrüchige aus Seenot retten können. Ich wusste aber, dass es in Laboe ebenfalls einen gibt. Also: Auf nach Laboe an den Hafen. Das Bergen stellte sich dann doch als Herausforderung dar – Papa übernahm das Ruder von Leif und verzweifelte fast daran, die beiden Segel aus den Fluten zu retten und das Segelschiff zu löschen. Leif schaute derweil einen Informationsfilm über die Einsätze der Retter auf der Nord- und Ostsee. Ein paar jüngere Mädchen schauten ebenfalls zu. Der freundliche Mitarbeiter des Infozentrums hat sie dann immer wieder darauf hingewiesen, dass das ja alles nicht echt, sondern nur nachgestellt sei. Einiges war aber auch wirklich dramatisch – etwa der verschwundene Segler oder das brennende Schiff.
Während mein Mann virtuell rettete, schaute ich mir die Modell der in Laboe stationierten Schiffe an: die als THEODOR HEUSS, an die ich mich tatsächlich auch noch erinnern kann. Vor allem dieses merkwürdige Orange, mit der der oben Führerstand gestrichen war. Der Rettungskreuzer steht übrigens jetzt im Deutschen Museum im München. (In Wirklichkeit ist es allerdings das Schwesterschiff, verriet uns der Mitarbeiter im Infozentrum. Die THEODOR HEUSS war schon verschrottet worden, bevor die Idee aufkam, das Schiff auszustellen. Also nahm man einfach ein baugleiches und machte es zur THEODOR HEUSS.) Die alte BERLIN sieht eigentlich so aus wie die neue, die seit letztem Jahr in Laboe beheimatet ist. Leif hat natürlich gleich gesehen, dass die neue länger ist.
Nach dem Besuch im Informationszentrum sind wir dann zum Yachthafen rüber gegangen und zur BERLIN spaziert. Nach einigem Herumlungern wurden wir eingeladen, an Bord zu kommen und haben eine umfassende Führung bekommen. Dabei durften wir in den Führerstand, haben die Schiffe auf dem AIS beobachtet (sowas wie das GPS für Boote, wo die Position und der Name übermittelt werden) und per Fernglas mit den Booten vor unserer Nase verglichen.
Dirk hat uns von der Arbeit der Seenotretter erzählt. Zum Beispiel, dass in Laboe jeweils vier Festangestellte 14 Tage Dienst schieben. Die Stammbesatzung in Helgoland ist am größten – auf der HERMANN MARWEDE sind sieben Seenotretter pro Schicht dauerhaft stationiert. Insgesamt gibt es 120 Festangestellte. Diese können die 54 Stationen natürlich nicht alleine besetzen, deswegen gibt es viele Freiwillige, die die Seenotretter unterstützen (die Internetseite gibt die Zahl mit 800 an!). Auch wenn es keine Einsätze gibt, fährt der Kreuzer raus. Dann werden Instrumente und Maschinen überprüft, damit im Notfall alles einwandfrei funktioniert.
Für die technikbegeisterten Jungs war unser Besuch auf der BERLIN und die Besichtigung der STEPPKE natürlich toll. Ich konnte mir die ganzen Längen-, Breiten- und PS-Angaben nicht wirklich merken. Ich finde es einfach nur beeindruckend, dass die Seenotretter – ob festangestellt oder freiwillig – immer helfen, wenn wir Wassersportler mal wieder zu dusselig waren, oder die Berufsschifffahrt und die Seeleute schnell Hilfe brauchen. Leif hat jetzt auf jeden Fall einen neuen Berufswunsch: Seenotretter!
Natürlich ist die BERLIN nicht ständig zur Besichtigung freigegeben. Schließlich muss das Schiff jederzeit einsatzbereit sein und losfahren können. Aber fragen kostet nichts. Im Zweifelsfall werden Besucher schnell von Bord gebracht.